von Lisa Berins / Thüringer Allgemeine / 19. Mai 2015

Gera. Der Diener lacht sich schlapp, kann aber gerade noch an sich halten: Ein grüner, glitschiger Frosch ist an den Rand des Tellers der Prinzessin gehüpft und schiebt sich genüsslich einen Brocken des königlichen Mahls ins Maul. Diese Szene stammt aus dem Kinderbuch „Der Froschkönig“ aus dem Jahr 1875 vom englischen Maler und Illustrator Walter Crane und ist eine von vielen beeindruckenden und amüsanten Drucken, die in der Doppelausstellung „Walter Crane 1854 bis 1915 – Kunst im Viktorianischen Zeitalter“ und „Heidrun Feistner – Skulpturen, Bronzen, Porzellan“ im Geraer Haus Schulenburg zu sehen sind.

Ob die Kombination zweier Künstler und Kunstrichtungen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben – die farbenfrohen Drucke Cranes und die kleinen, abstrakten Steinfiguren der Geraer Künstlerin Heidrun Feistner – überzeugt, sei dahingestellt. Für sich genommen jedenfalls fasziniert die Schönheit der Werke.

Walter Crane wurde 1845 als drittes Kind des Porträtmalers Thomas Crane in Liverpool geboren. Mit 13 Jahren entdeckte John Ruskin, einer der wichtigsten Protagonisten der Arts and Crafts-Bewegung, sein Talent. Nach einer Lehre als Zeichner und Graveur von Holzstichen lernte Crane den Londoner Druckers Edmund Evans kennen. In Zusammenarbeit entstanden 50 Kinderbücher, mit denen sich Crane „in die vorderste Reihe der bedeutendsten Künstler seiner Zeit katapultierte“, so Volker Kielstein, Besitzer des Privatmuseums und Kurator der Ausstellung.

Ein Künstler, der sich so viel Mühe gibt, Kinderbücher zu gestalten? Schon Henry van de Velde, Architekt des Hauses Schulenburg und selbst Meister der angewandten Künste, wunderte sich: „Das fiel auf, so viel Talent den Kindern, diesen kleinen Vandalen zu widmen“, schrieb er in seinen Kunstgewerblichen Laienpredigten (1902).

Doch für Crane, der zunehmend mit der Arts and Crafts-Bewegung anbändelte, war das nur natürlich. Es ging ihm nicht nur um die Verbindung von Kunst und Handwerk, um die Erschaffung von einem dem Menschen dienenden Design, sondern auch um sozialreformerische Ideen. „Gute Kunst sollte für alle da sein“, erklärt Kielstein – für Arbeiter und eben auch für Kinder. Crane schuf Bücher wie „The Baby‘s Opera“ (1877) oder „Baby‘s Bouquet“ (1878), in denen er Geschichten und Kinderliedertexte illustrierte. Die farbigen Bildchen besitzen noch heute eine extreme Leuchtkraft.

„Das liegt an der Technik“, erklärt Kielstein. Er habe entdeckt, dass Crane und Evans bereits 25 Jahre vor den Pointillisten Georges Seurat und Paul Signac mit Spektralfarben arbeiteten, dass sie Farben nicht vermischten, sondern so nebeneinander auftrugen, dass sich durch ihren Kontrast die Farbwirkung veränderte und sie sich erst auf der Netzhaut vermischen.

Walter Cranes Bücher wurden 1891 mit Werken von Paul Gauguin, Vincent van Gogh, Georges Seurat und Paul Signac in einer Avantgarde-Schau in Brüssel ausgestellt. Im Jahr 1900 beteiligte er sich an der Weltausstellung in Paris. „Und 1906 war seine letzte deutsche Ausstellung im Salon Fritz Gurlitt in Berlin“, sagt Kielstein. Danach habe man den Künstler schlichtweg vergessen. „Jetzt machen wir also die erste deutsche Crane-Ausstellung seit über hundert Jahren.“ Zu verdanken ist das dem sammlerischen Ehrgeiz Kielsteins, den er entwickelte, nachdem er in den 1980ern einen Crane-Druck auf einem Flohmarkt entdeckt hatte.

Doch wie kam nun die gemeinsame Ausstellung mit Heidrun Feistner zustande? Die Künstlerin fühle sich mit dem Geist der Arts and Craft-Bewegung, der Idee der expressiven Linie, dem organischen Design und dem Herausstellen der Schönheit des Materials verbunden, sagt sie.

In schwungvollen Linien feilt sie Figuren, die hauptsächlich aus Schulter, Brust, Flügel und Auge bestehen, aus Naturstein heraus. Die Skulpturen sind in den letzten drei Jahren entstanden; erst seit 2012 beschäftigt sich Feistner wieder mit Kunst. Aufgrund eines „politischen Unfalls“ habe sie in der DDR das Studium an der Burg Giebichenstein in Halle nicht beginnen können. Und vielleicht besteht ja gerade darin der Link zwischen Feistner und Cranes: Im Wachküssen schlummernder, künstlerischer Ideen