von Heinz Stade / 1. Juni 2012 / Thüringer Allgemeine

Thüringer Denkmalschutzpreis 2012: Das Ehepaar Kielstein rettete das Bau- und Gartenensemble "Haus Schulenburg" in Gera. Der letzte Bauauftrag Van de Veldes in Deutschland ist in Teilen wieder öffentlich.

Gera. Den 150. Geburtstag des "Alleskünstlers" Henry van de Velde im kommenden Jahr hat Thüringen zum Anlass für ein Themenjahr genommen. Mit Sonderausstellungen wird an den Maler, Architekten und Designer von Weltruhm erinnert, der ein gutes Jahrzehnt seines Lebens (18631957) in Thüringen verbrachte. Als letzten Bauauftrag in Deutschland realisierte der geborene Belgier das Anwesen in der heutigen Straße des Friedens 120 für den Geraer Textilfabrikanten, Kunstsammler und Orchideenzüchter Paul Schulenburg.

"Nicht nur die gesamte Architektur und die Dachform, jede Einzelheit, jeder Linienschwung, jedes Profil des Wohnhauses, des Pförtnerhauses und der Einfahrt verraten die Vorliebe des Künstlers für persönlich empfundene Formen, die Abneigung gegen alles, was in dem Verdacht stehen könnte, schon einmal dagewesen zu sein." So urteilte Geras damaliger Stadtoberbaurat Luthardt über das 1913/1914 entstandene Haus.

Die zweigeschossige Villa mit schiefergedeckten Mansarddächern sowie das eingeschossige Nebengebäude wurden in rotem Ziegelstein errichtet. Elemente aus gelblichem Sandstein gliedern die auf ornamentale Details verzichtenden Fassaden. Zusammen mit den halbkreisförmigen Dachgauben strahlt das Ensemble eine harmonische Wirkung aus. Im Inneren jedoch war das Gebäude zwischen 1937 und 1990 wegen Umnutzung starken Veränderungen unterworfen, auch das Grundstück war mehrfach geteilt worden. Der gravierendste Eingriff stammt aus dem Jahr 1937, als Nachfahren Schulenburgs die von der großen Diele nach oben führende Treppe abbrachen, um aus dem Haus zwei Wohnungen zu machen. Verschwunden war der Blick in den Himmel, den das großzügige Oberlicht über der Treppe ermöglichte. Um 1950, als in die Gebäude eine Medizinische Fachschule einzog, setzten sich die Eingriffe fort.

Struktur des Hauses war stark verändert worden

Vor nunmehr über einem Jahrzehnt hat die Mediziner-Familie Kielstein aus Magdeburg das Anwesen gekauft und begonnen, das Anwesen vor weiteren Verfall zu retten. Der aufwendigen Recherche-Vorarbeit der Bauherren war es zu danken, dass das gesamte Anwesen in seinem Originalzustand fast vollständig dokumentiert werden konnte. Befunde, Baupläne, umfangreiche Fotodokumentationen aus Archiven, Familienfotos, Pläne für Lampen, Möbel und Baudetails, Stoffbespannungen und anderes noch hatte man zusammengetragen.

Das bauliche Ergebnis mühevoller Kleinarbeit kann sich - außen wie innen - in der Tat sehen lassen. Die kulturhistorisch wichtigen Innenräume haben ihre originalen Wandverkleidungen (Holz, Stoff, Stuck, Tapeten) und Farbfassungen zurückerhalten und wurden zum Teil mit den originalen Van-de-Velde-Möbeln und -Lampen ausgestattet.

Die Jury des Denkmalpreises 2012 begründet ihre Entscheidung u. a. so: "Das heute wieder in großen Teilen zugängliche und insgesamt nutzbare Haus ist beredtes Zeugnis von herausragendem bürgerschaftlichen Engagement und stellt eine besondere Bereicherung der deutschen Kultur- und Denkmallandschaft dar."