Die künstlerische Avantgarde in der Zeit des 1. Weltkrieges, 22. März bis 31. März 2015

Eröffnung 22. März 2014, 15 Uhr

Die Kunstszene des beginnenden 20. Jahrhunderts: der Expressionismus kommt auf und lässt Impressionismus und „Jugendstil“ hinter sich. Der freie Umgang mit Form und Farbe dominiert, die traditionelle Perspektive tritt in den Hintergrund. Holzschnittartige Formen, ungemischte Farben und die vordergründig nicht wirklichkeitsgetreue Wiedergabe  von Eindrücken bestimmen unter anderem die Arbeiten der neuen, jungen Künstlergeneration. Es herrscht Aufbruchsstimmung.

In diese Phase der sich entwickelnden neuen Kunst fällt der Erste Weltkrieg (1914-1918). Er setzt eine Zäsur und fasziniert, bewegt, bestürzt und erschüttert.

Vom 22. März bis 30. September 2014 zeigt Haus Schulenburg Gera die Ausstellung „Grafik 1914 -18“ mit Arbeiten von Franz Marc, August Macke, Marc Chagall, Max Beckmann, Lionel Feininger, Paul Klee, Otto Kokoschka, Alfred Kubin, Max Liebermann, August Gaul und anderen. Die Ausstellung reflektiert den Zeitgeist von 1914-1918 im grafischen Werk der künstlerischen Avantgarde.

Im Sommer 1914 ziehen überraschend viele Künstler freiwillig in den Krieg. Kriegseuphorie, nationales Pflichtgefühl und die Hoffnung auf eine Erneuerung des Lebens weicht später zunehmend dem unerwarteten Grauen des Krieges. Europäische Freunde werden auf dem Schlachtfeld zu Feinden, erste Massenvernichtungswaffen, Giftgas und die Wucht der Bomben lassen die europäische Kulturszene zersplittern.

Unteroffizier Franz Marc  ist begeistert  vom Krieg. Der Maler berühmter Tierbilder bleibt auch in den Kriegsmonaten seinen Motiven treu. Fast schon euphorisch berichtet Marc in seinen Skizzenbüchern vom Krieg, spricht von der reinigenden Wirkung des massenhaften Sterbens. Freunde, wie Wassily Kandinsky, wenden sich von ihm ab. Franz Marc fiel am 04. März 1916 vor Verdun.

Der Krieg polarisiert die im Anfang des 20. Jahrhunderts gebildeten Künstlergruppen. Für die einen ist es ein politisches Großereignis oder ein inspirierendes Erlebnis. Andere Künstler verhalten sich opportunistisch, verweigern sich oder fliehen aus Angst vor Verfolgung ins Exil.

Von 1914 bis 18 ist ein reichhaltiges originalgraphisches Werk der Avantgarde in den Zeitschriften „Der Sturm“ aus dem Verlag von Herwarth Walden, „Der Bildermann“ und „Kriegszeit-Flugblätter“ aus dem Verlag Paul Cassirer Berlin und im „Zeit-Echo“ (1914 – 1917), Hrsg. Otto Haas München, später Ludwig Rubiner Bern, erschienen. Exemplare der beeindruckenden Blätter sind in den Originalausgaben in der Ausstellung zu sehen.

Die satirische Wochenzeitschrift „Simplicissimus“ begründet von Albrecht Langen und Thomas Theodor Heine in München übte vor dem 1. Weltkrieg scharfe Gesellschaftskritik. Mit dem Beginn des Krieges schwenkt die Redaktion auf Kriegsunterstützung ein. Die teilweise hervorragenden graphischen Blätter sind Zeichen nationalen Hochmuts, verunglimpfen den Kriegsgegner, entlarven die Machenschaften der anderen, liefern Durchhalteparolen und kündigen erst sehr spät die Niederlage an. Die neue Ausstellung zeigt eine repräsentative Auswahl von Kriegsnummern des „Simplicissimus“.

Der Weimarer Maler und Grafiker Heinrich Linzen zeichnete nach der Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft Erinnerungen an russische Landschaften. Emotional verarbeitete er den Krieg in graphischen Blättern zu Dantes Inferno. Diese Blätter sind ebenfalls Gegenstand der Ausstellung.

Heinrich Linzen gehörte gemeinsam mit August Schrammen der ersten Studentenvertretung des Bauhauses in Weimar an. Gezeigt werden die Nummern 2 und 3 der in drei Ausgaben erschienenen Studenten-Publikation „Der Austausch“ aus dem Jahr 1919.

Die Ausstellung „Grafik 1914 – 1918“ präsentiert nicht nur Werke der bildenden Künstler. Auch Zitate namhafter Schriftsteller wie Thomas Mann, Herrmann Hesse, Franz Werfel, Johannes R. Becher, Leonhard Frank, Carl Sternheim und Ludwig Rubiner werfen Schlaglichter auf die Denk- und Erlebniswelten der „Eliten“.

„Aus heutiger Sicht ist es erschreckend, welche Bedeutung hier Formulierungen wie ‚Du sollst‘, ‚Feld der Ehre‘, ‚Vollendung im Opfer‘, ‚Ruhm‘ spielen“, sagt Dr. Volker Kielstein, Eigentümer von Haus Schulenburg und Initiator der Ausstellung. „Nur wenige finden Worte für das Entsetzen, einen Mitmenschen erschlagen zu haben, zweifeln an einem sinnvollen Opfertod, sehen die Ursachen des Krieges in der Profitgier, den Weltmachtbestrebungen der großen Nationen und in einer geistigen Haltung, die Interessen, Gewinn und Macht über alles stellt.“